Kategorie: Sonstige - Geschrieben von: Robert
Handball-Historie in Gernsheim am Rhein
Die Anfänge – Aufstieg zur „Wundermannschaft“
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann beim SV Concordia Gernsheim sehr schnell wieder der Sportbetrieb – besonders der Handball erlebte eine neue Blüte. Einen großen Anteil daran hatte der ehemalige Konrektor der Volksschule, W. Heil, der zahlreiche Schüler für die Sportart begeisterte.
Unter einfachsten Bedingungen – Trikots wurden damals noch selbst genäht und eingefärbt – formte sich eine Mannschaft, die schon bald als „Wundermannschaft vom Rhein“ in die Sportgeschichte einging. Innerhalb weniger Jahre gelang der Durchmarsch von der Kreisklasse bis in die Oberliga, die damals die höchste deutsche Spielklasse war.
In den Jahren 1947, 1948 und 1949 war Gernsheim ein Handball-Hotspot: Presseberichte aus dem ganzen Land lobten den kometenhaften Aufstieg. Bis zu 2.000 Zuschauer verfolgten die Spiele am „Kaffeedamm“. Mit Pauken und Trompeten wurden die Spieler um Adolf Fischer, Sander, Nägele, Kissel, Brand, Göbel, Grüll, Müller, Wunderle und Hess nach Meisterschaften empfangen – das ganze Städtchen stand Kopf.
Doch der Höhenflug endete abrupt: Als sich Leistungsträger zurückzogen und die Geschlossenheit im Team nachließ, rutschte die Mannschaft in den frühen 1950er-Jahren in die unteren Klassen ab. Bald konnte der Spielbetrieb nicht mehr aufrechterhalten werden.
Neubeginn in den 1960er-Jahren
Erst 1962 übernahm Erich Weichel die Handballabteilung von der Sportvereinigung Grün-Weiß und führte sie zurück zur Concordia. 1964 wurde Handball in Gernsheim offiziell wieder aufgenommen.
Noch immer spielte man zunächst Feldhandball, doch spätestens mit dem Bau neuer Sporthallen Anfang der 1970er-Jahre begann der Übergang zum Hallenhandball. 1969/70 sorgte die Mannschaft von Trainer Otto Hawran, Oberkommissar im Gernsheimer Polizeidienst, für Furore: Sie wurde Meister der C-Klasse und stieg auf.
Auch in den 1970er-Jahren blieb der Handball lebendig, mit dem Fischerfest-Handballturnier als neuem Traditionsevent. Mitte der 1970er-Jahre gelang der Aufstieg in die A-Klasse. Doch interne Streitigkeiten führten Ende des Jahrzehnts zum Austritt vieler Spieler und zur Gründung einer neuen Handballabteilung beim Nachbarverein TSV. Die Concordia musste neu aufbauen, schaffte es aber durch junge Spieler, engagierte Trainer und eine solide Jugendarbeit wieder in die Spur zu finden.
Damenhandball – Aufstieg bis in die Oberliga
Seit Mitte der 1970er-Jahre entwickelte sich in Gernsheim auch der Frauen- und Mädchenhandball. Großen Anteil daran hatte Trainer Friedrich Andel, der über Jahrzehnte hinweg prägende Arbeit leistete.
Bereits 1975/76 gewann eine junge Damenmannschaft die Kreismeisterschaft und startete eine beeindruckende Erfolgsgeschichte. Über Bezirksliga und Kreisliga kämpfte sich das Team Schritt für Schritt nach oben und feierte in der Saison 1979/80 die Bezirksliga-Meisterschaft. Damit gelang der Sprung in die Verbandsliga Hessen-Süd (später Oberliga Hessen-Süd).
Zwischen 1980 und 1985 gehörten die Concordia-Damen zur Spitze des hessischen Frauenhandballs. Höhepunkte waren:
-
2. Platz in der Saison 1980/81 in der Oberliga,
-
durchgehende Platzierungen unter den Top 5 in den Folgejahren,
-
zahlreiche Turniersiege, u. a. beim TV Einhausen,
-
spektakuläre Freundschaftsspiele, etwa gegen die Nationalmannschaft der USA (1983) oder gegen die Weltklassemannschaft Spartak Kiew (1985).
Die Basis dieses Erfolges war eine konsequente Jugendarbeit: Viele Spielerinnen der 1. Mannschaft stammten aus der eigenen Jugend. Besonders hervorgetreten sind Spielerinnen wie Jutta Simon, die in über 20 Jahren fast 350 Punktspiele bestritt und nie ein Spiel verpasste.
Nachwuchsarbeit und Damenhandball in den 1990er-Jahren
Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre setzte die Concordia stark auf den Ausbau der weiblichen Jugendmannschaften. In der Saison 1989/90 gingen gleich vier Teams an den Start: Minis, D-Jugend, C-Jugend und die 1. Damenmannschaft.
-
Minis: Trainiert von Marita Polzer, hielten sie trotz körperlicher Unterlegenheit tapfer durch.
-
D-Jugend: Mit einer Bilanz von 25:3 Punkten wurde die Mannschaft Meister in der Kreisleistungsklasse – das Aushängeschild der Jugendabteilung.
-
C-Jugend: Erreichte den 4. Platz und galt als Hoffnungsträger für die kommenden Jahre. Trainer war weiterhin Friedrich Andel.
-
B-Jugend: Erstmals neu gegründet zur Saison 1990/91, betreut von Margit Weger und Detlev Fahlke.
Auch die 1. Damenmannschaft stand in dieser Zeit vor besonderen Herausforderungen: In der Saison 1989/90 verlor sie gleich acht Spielerinnen, und das erklärte Ziel war der Klassenerhalt. Nachwuchsspielerin Tanja Müller schaffte den Sprung in die Mannschaft und bewährte sich. Mit Hilfe erfahrener Spielerinnen wie Jutta Simon, Doris Eder, Brigitte Mück, Margit Weger und Simone Staab erreichte das Team am Ende den 7. Tabellenplatz.
Ein besonderer Meilenstein in dieser Saison: Jutta Simon absolvierte ihren 500. Einsatz im Concordia-Trikot – eine Zahl, die nur mit unermüdlicher Leidenschaft und großem persönlichen Einsatz erreichbar ist.
Von der Concordia zum eigenständigen Verein
Im Laufe der Jahre entwickelte sich der Wunsch nach mehr Eigenständigkeit. Unter maßgeblicher Initiative von Manuel Heger erfolgte schließlich die Abspaltung der Handballabteilung von der SV Concordia. Damit wurde der Grundstein für einen eigenständigen Handballverein gelegt, der sich seither ausschließlich auf die Förderung des Handballs in Gernsheim konzentriert.
Dieser Schritt bedeutete einen neuen Aufbruch: weg von Abhängigkeiten, hin zu klarer Profilierung und nachhaltiger Entwicklung – sowohl im Aktiven- als auch im Jugendbereich.
Abteilungsleiter im Überblick
Die Entwicklung des Handballs in Gernsheim wurde von engagierten Persönlichkeiten geprägt, die als Abteilungsleiter Verantwortung übernahmen:
-
Erich Weichel – führte 1962 den Handball von Grün-Weiß zurück in die Concordia.
-
Wolfgang Sührer – festigte die organisatorische Arbeit.
-
Erich Weichel (zweite Amtszeit) – brachte nochmals seine Erfahrung ein.
-
Franz Fellhauer – sorgte für Strukturarbeit in bewegten Jahren.
-
Josef Weger – setzte Impulse für Jugend und Breite.
-
Rudi Plößer – mit der längsten Amtszeit prägte er den Handballsport nachhaltig. Unter seiner Leitung wurde die Jugendarbeit systematisch gestärkt und der Handball fest in der Stadt verankert.
-
Manuel Heger – brachte neue Dynamik ein und war schließlich treibende Kraft bei der Gründung des eigenständigen Handballvereins 2018, was den Sport in Gernsheim in eine neue Ära führte.
-
Wolfgang Plößer – übernahm Verantwortung in einer wichtigen Übergangsphase.
-
Manuel Heger – leitet die Handballer heute und führt mit großem Engagement die Tradition fort, dabei stets den Blick auf die Zukunft gerichtet.
Handball heute – eine starke Gemeinschaft
Handball in Gernsheim ist heute lebendiger denn je. Seit 2023 besteht eine enge Spielgemeinschaft mit dem TV Groß-Rohrheim, die neue Perspektiven eröffnet und Kräfte bündelt.
Von der Ballspielgruppe für die Kleinsten über die Minis, zwei E-Jugend-Teams bei den Jungs sowie eine E-Jugend bei den Mädchen, über D-Jugend männlich und weiblich, C-Jugend männlich und weiblich, bis hin zu B- und A-Jugend, einer Damenmannschaft und einer Herrenmannschaft: Heute sind alle Altersklassen im Verein vertreten.
Das ist das Ergebnis kontinuierlicher Jugendarbeit, engagierter Trainer und Betreuer sowie der großartigen Unterstützung durch Eltern, Ehrenamtliche und Sponsoren.
Handball in Gernsheim ist damit weit mehr als ein Sportangebot – er ist Tradition, Leidenschaft und Gemeinschaft. Das Fischerfest-Turnier, die Zusammenarbeit mit dem TV Groß-Rohrheim und die stetig wachsende Jugendbasis zeigen: Der Handball am Rhein hat nicht nur eine glorreiche Vergangenheit, sondern auch eine vielversprechende Zukunft.